Leerlauf

Ich betrachte die Filme vom letzten Jahr, sehe meine Begeisterung, meinen Drive. Das muss jemand anders gewesen sein.

Irgendwie bin ich seit Monaten kaum draußen, nur am Arbeiten oder Videos schneiden. Einmal im Tessin. Irgendwie will ich auch gar nicht so richtig raus, es ist immer so ein Stress.
Aber irgendwas fehlt mir. Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass es Pausetouren sind. Denn die sind oft ganz schön anstrengend.
Mir fehlt, wie so oft, der Sinn. Die letzten Monate waren nicht ganz leicht, da fragt man sich doppelt, was man eigentlich will vom Leben. Pausetouren klettern bis zur 117, bis zum bitteren Ende? Das war doch das Ziel. Nur noch Sportklettern? Auch lame. Halle? Noch lamer. Risse? Ja, aber Wegfahren ist so anstrengend. Packen. Essen vorbereiten. Auto einladen. Gedanklich losstarten.
Irgendwie hängt die Schaltung. Ich bin im Leerlauf. Nicht schlecht, nicht gut, aber passiert nicht so viel. Ich versuche vergebens, den ersten Gang einzulegen.

„Du bist ja dieses Jahr noch gar keine Pausetour geklettert, man hört ja gar nichts!“
Ich lese die Nachricht, während ich mit Rückenschmerzen am Schreibtisch sitze. Dieses Jahr will ich auf bessere Bedingungen warten. Ich will nicht mehr zehn Mal den Berg hochlaufen, um festzustellen, dass die Route nicht kletterbar ist oder ich gar nicht erst bis zum Einstieg komme. Dieses Jahr geht es erst ab Juni los, habe ich mir gesagt. Dann den Sommer dafür Vollgas!

Das Gaspedal scheint blockiert. Obwohl der BMW trotz seiner 500.000 wieder TÜV hat. Ich muss dieses Jahr auch arbeitstechnisch einiges aufholen. Es kam mir aber durchaus gelegen, mal nicht schon im Winter ununterbrochen unterwegs zu sein, bei minus 8°C im Auto zu schlafen und mit Handschuhen den Kocher zu bedienen. Ein bisschen habe ich das letzte Jahr immer noch in den Knochen.

Der Luxus fühlt sich zu süß an.

In einem Haus zu schlafen, von gespülten Tellern zu essen anstatt aus dem Topf und nicht jeden Tag das gleiche, nicht um fünf aufstehen zu müssen und nicht den ganzen Tag zu frieren.

Es zieht mich nicht in die Berge. Selbst die langen Autofahrten habe ich satt, obwohl ich gerne fahre. Es ist eine tiefe Erschöpftheit, eine Leere und auch eine Abneigung, wenn ich an bröselige Nordwände denke. Oder auch an hakendurchsetzte Südwände. Die reizen mich noch weniger.

Nur in der Pfalz habe ich Spaß, den Sand unter den Fingern, die Formen, die Farben. Dort sind auch leichte Touren schön. Klassische 6er-Risse, die bereiten mir selbst an dunkelsten Tagen Freude. Kurz.

Ich warte. Etwas anderes kann ich eh nicht tun. Die Berge sind voller Schnee. Die nächste Tankfüllung muss ich erst verdienen. Vielleicht brauchen wir eine Beziehungspause, die Alpen und ich.